Gesetzesbegründung zu § 2 HinSchG
Zu Absatz 1 Nr. 1
Hinweisgebende Personen sollen auf den Schutz des HinSchG vertrauen können, wenn sie erhebliche Verstöße gegen Vorschriften melden. Von einem erheblichen Verstoß ist in all jenen Fällen auszugehen, in denen der Gesetzgeber einen Verstoß strafbewehrt hat. Hier hat der Gesetzgeber bereits durch die Pönalisierung deutlich gemacht, dass ein nicht nur unerheblicher Verstoß vorliegt.
Daher ist es sachgerecht, hinweisgebende Personen stets dann zu schützen, wenn ein Verstoß gegen Strafvorschriften im Raum steht. Denn andernfalls käme es zu Wertungswidersprüchen im Verhältnis zu sonstigen Verstößen, die in Umsetzung der HinSch-RL zwingend vom sachlichen Anwendungsbereich zu erfassen sind und unter Nummer 3 untergliedert nach Rechtsbereichen aufgezählt werden.
Zu Absatz 1 Nr. 2
Um erhebliche Verstöße gegen Vorschriften handelt es sich auch dann, wenn die Verletzung einer Vorschrift bußgeldbewehrt ist und die verletzte Vorschrift dem Schutz der in Nummer 2 genannten hochrangigen Rechtsgüter Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient. Auch insoweit ist es zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen notwendig, dass hinweisgebende Personen geschützt sind.
Die Regelung ist weit zu verstehen. Eine Vorschrift dient dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane, wenn sie diesen Schutz bezweckt oder dazu beiträgt, den Schutz der genannten Rechtsgüter und Rechte zu gewährleisten.
So werden etwa im Bereich des Arbeitsschutzes sowohl die dem Gesundheitsschutz und der Sicherheit der Beschäftigten dienenden Vorschriften als auch arbeitsschutzrechtliche Mitteilungs-, Erlaubnis-, Prüfungs-, Bestellungs-, Belehrungs-, Dokumentations- und Anzeigepflichten erfasst. Denn Letztere dienen ebenfalls der Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten. Im Falle des Mindestlohngesetzes (MiLoG) bedeutet dies beispielsweise, dass Verstöße gegen die Pflicht zur Zahlung des Mindestlohnes nach § 20 MiLoG ebenso unter Nummer 2 fallen wie Verstöße gegen Dokumentationspflichten nach § 17 MiLoG, Duldungs- und Mitwirkungspflichten eines Arbeitgebers nach § 15 MiLoG oder Meldepflichten nach § 16 MiLoG. Erfasst werden von Nummer 2 beispielsweise auch bußgeldbewehrte Verstöße gegen Vorgaben des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (§ 16 Absatz 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes). Diese sichern in erster Linie die Ordnung auf dem Arbeitsmarkt, dienen damit aber auch dem Schutz der Rechte von Beschäftigten.
Unter Nummer 2 fallen zudem Bußgeldvorschriften, mit denen Verstöße gegen Rechte der Organe sanktioniert werden, die die Interessen von Beschäftigten vertreten. Hierzu zählen insbesondere solche Bußgeldvorschriften, die Verstöße gegen Aufklärungs- und Auskunftspflichten gegenüber Organen der Betriebsverfassung wie Betriebsräten, Gesamtbetriebsräten, Konzernbetriebsräten, Wirtschaftsausschüssen, Bordvertretungen oder Seebetriebsräten sanktionieren (§ 121 des Betriebsverfassungsgesetzes). Erfasst sind aber auch bußgeldbewehrte Verstöße gegen Aufklärungs-, Auskunfts-, Unterrichtungs- und Mitteilungspflichten gegenüber Organen nach anderen Gesetzen, die Beschäftigteninteressen vertreten, wie etwa Sprecherausschüsse (§ 36 des Sprecherausschussgesetzes) sowie Interessenvertretungsorgane (z. B. besonderes Verhandlungsgremium) nach dem SE-Beteiligungsgesetz, dem SCE-Beteiligungsgesetz oder dem Europäische Betriebsräte-Gesetz.
Sofern die verletzte Vorschrift nicht zumindest auch dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient, kann der sachliche Anwendungsbereich des HinSchG nach den anderen Nummern des Absatzes 1 oder des Absatzes 2 eröffnet sein.
Zu Absatz 1 Nr. 3
In den unter den einzelnen Buchstaben aufgezählten Rechtsbereichen ist der sachliche Anwendungsbereich eröffnet, wenn ein Verstoß gegen Rechtsvorschriften des Bundes oder der Länder oder gegen unmittelbar geltende Rechtsakte der Europäischen Union oder der Europäischen Atomgemeinschaft, einschließlich der Vorschriften, die den jeweiligen Verstoß straf- oder bußgeldbewehren, in Rede steht.
Die Regelung setzt mit den einzeln aufgezählten Rechtsbereichen Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a in Verbindung mit Anhang Teil I der HinSch-RL um. Gleichwohl umfasst der sachliche Anwendungsbereich nicht allein die in der HinSch-RL selbst genannten Rechtsakte. Denn der Verweis in Artikel 2 der HinSch-RL auf einzelne Unionsrechtsakte im Anhang ist dynamisch ausgestaltet. Dies bedeutet nicht nur, dass auch im Nachhinein erlassene Durchführungsrechtsakte oder delegierte Maßnahmen umfasst sind. Vielmehr sind vom sachlichen Anwendungsbereich in Umsetzung der HinSch-RL auch zukünftige Rechtsakte umfasst (dazu Erwägungsgrund 19). Da es für hinweisgebende Personen gänzlich unmöglich wäre nachzuvollziehen, welche Verstöße jeweils in den sachlichen Anwendungsbereich fallen und so die vertrauliche Behandlung seiner Identität nach sich ziehen würden, ist es unerlässlich, die einzelnen Rechtsbereiche so anzupassen, dass hinweisgebende Personen einschätzen können, ob
ein beobachtetes Verhalten gegen Vorschriften in diesem Bereich verstößt. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob sich dieser Verstoß aus Landes-, Bundes- oder Unionsrecht ergibt.
Die zusätzliche Nennung der „Europäischen Atomgemeinschaft“ ist zur vollständigen und rechtsförmlich korrekten Umsetzung des Artikels 2 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer vi in Verbindung mit Anhang Teil I Buchstabe F. der HinSch-RL erforderlich, der für die Bereiche Strahlenschutz und kerntechnische Sicherheit keine EU- sondern Euratom-Rechtsakte enthält. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und die Europäische Gemeinschaft müssen hingegen nicht gesondert erwähnt werden, weil die Europäische Union Rechtsnachfolgerin dieser Gemeinschaften ist.
Zu Absatz 1 Nr. 3 lit. a
Von der Bestimmung erfasst werden alle Vorschriften zur Bekämpfung von Terrorismusfinanzierung. Hierzu zählen Straftaten nach den §§ 89c, 129a, 129b und 261 des Strafgesetzbuchs (StGB), jeweils in Verbindung mit den §§ 25, 26 oder 27 StGB, insbesondere das Geldwäschegesetz (GwG), das Kreditwesengesetz (KWG) sowie die Verordnung (EU) 2015/847 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über die Übermittlung von Angaben bei Geldtransfers und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1781/2006 (ABl. L 141 vom 5.6.2015, S. 1).
Zu Absatz 1 Nr. 3 lit. b
Der sachliche Anwendungsbereich erfasst mit dem Terminus „Produktsicherheit und -konformität“ Produkte, die den Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union unterliegen und in den Anhängen I und II der Verordnung (EU) 2019/1020 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über Marktüberwachung und die Konformität von Produkten sowie zur Änderung der Richtlinie 2004/42/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 765/2008und (EU) Nr. 305/2011 (ABl. L 169 vom 25.6.2019, S. 1) aufgeführt sind. Hinzu kommen Produkte im Anwendungsbereich der Richtlinien 2001/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Dezember 2001 über die allgemeine Produktsicherheit (ABl. L 11 vom 15.1.2002, S. 4), 2009/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 zur Vereinfachung der Bedingungen für die innergemeinschaftliche Verbringung von Verteidigungsgütern (ABl. L 146 vom 10.6.2009, S. 1), 91/477/EWG des Rates vom 18. Juni 1991 über die Kontrolle des Erwerbs und des Besitzes von Waffen (ABl. L 256 vom 13.9.1991, S. 51) sowie der Verordnung (EU) Nr. 98/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2013 über die Vermarktung und
Verwendung von Ausgangsstoffen für Explosivstoffe (ABl. L 39 vom 9.2.2013, S. 1).
Die in Anhang Teil I Buchstabe C Nummer 1 Ziffer iii genannte Richtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (Rahmenrichtlinie, ABl. L 263 vom 9.10.2007, S. 1) ist seit dem 1. September 2020 nicht mehr in Kraft. Sie wurde aufgehoben durch die Verordnung (EU) 2018/858 über die Genehmigung und die Marktüberwachung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge, zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 715/2007 und (EG) Nr. 595/2009 und zur Aufhebung der Richtlinie 2007/46/EG (ABl. L 151 vom 14.6.2018, S. 1), so dass Produkte nach dieser Verordnung in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fallen.
Zu Absatz 1 Nr. 3 lit. c
Die Vorschrift setzt Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer iv in Verbindung mit dem Anhang Teil I Buchstabe D Nummer 3 der HinSch-RL um. Sie orientiert sich an den drei EU-Rechtsakten aus dem Anhang der Richtlinie. Es gibt keine Rechtsakte, die eng mit der Richtlinie 2008/96/EG, Straßenverkehrsinfrastrukturmanagement, verwandt sind. Damit sollten auch keine Rechtsunsicherheiten bei der Bestimmung der Reichweite des sachlichen Anwendungsbereichs bestehen. Auch die Vorgaben für Straßentunnel und zur Zulassung zum Güter- bzw. Personenkraftverkehrsunternehmers (Kraftomnibusunternehmen) sind abgegrenzte Bereiche, die sich nicht zur Ausweitung auf andere Themen der Verkehrssicherheit eignen.
Zu Absatz 1 Nr. 3 lit. d
Die Vorschrift setzt Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer iv in Verbindung mit dem Anhang Teil I Buchstabe D Nummer 1 der HinSch-RL um. Neben den europäischen werden auch deutsche Vorgaben zur Eisenbahnbetriebssicherheit in den sachlichen Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzes einbezogen. Dies dient der Vermeidung von Wertungswidersprüchen.
Zu Absatz 1 Nr. 3 lit. e
Diese Vorschrift dient der Umsetzung von Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer iv in Verbindung mit dem Anhang Teil I Buchstabe D Nummer 4 der HinSch-RL und geht nicht darüber hinaus. Denn der wesentliche Beitrag des Hinweisgeberschutzes zur Vermeidung von Verstößen gegen Vorschriften der Europäischen Union auf dem Gebiet der Verkehrssicherheit, die das Leben von Menschen gefährden können, wurde bereits in den sektoralen Unionsrechtsakten für die Sicherheit im Seeverkehr, d. h. den Richtlinien 2013/54/EU und 2009/16/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, anerkannt, die spezifische Maßnahmen zum Schutz von Hinweisgebern sowie eigene Meldekanäle vorsehen. Diese Rechtsakte schützen auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die eigene unbeabsichtigte Fehler melden, vor Repressalien (sogenannte „Redlichkeitskultur“). Ein Vorrang dieser spezifischen Meldekanäle ist in § 4 vorgesehen.
Zu Absatz 1 Nr. 3 lit. f
Die Vorschrift setzt Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer iv in Verbindung mit dem Anhang Teil I Buchstabe D Nummer 2 der HinSch-RL um. Der wesentliche Beitrag des Hinweisgeberschutzes zur Vermeidung von Unfällen und schweren Störungen, die das Leben von Menschen gefährden, wurde bereits im sektoralen Unionsrechtsakt für die Sicherheit im Luftverkehr, d. h. der Verordnung (EU) Nr. 376/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates, anerkannt, der spezifische Maßnahmen zum Schutz von Ereignisse meldenden Personen sowie eigene Meldekanäle vorsieht. Dieser Rechtsakt schützt auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die eigenes fahrlässiges Verhalten melden, vor Repressalien (sogenannte „Redlichkeitskultur“). Ein Bedarf für eine Abrundung des sachlichen Anwendungsbereiches besteht nicht.
Zu Absatz 1 Nr. 3 lit. g
Diese Vorschrift dient der Umsetzung von Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer iv in Verbindung mit dem Anhang Teil I Buchstabe D Nummer 5 der HinSch-RL.
Zu Absatz 1 Nr. 3 lit. h
Die Regelung setzt Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer v der HinSch-RL um und umfasst Verstöße gegen Vorschriften im Bereich Umweltschutz.
Zu Absatz 1 Nr. 3 lit. i
Die Regelung setzt Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer vi der HinSch-RL um und umfasst Verstöße gegen Vorschriften in den Bereichen Strahlenschutz, also dem Schutz vor ionisierender und nichtionisierender Strahlung, und kerntechnische Sicherheit.
Zu Absatz 1 Nr. 3 lit. j
Die Vorschrift dient der Umsetzung der HinSch-RL im Bereich Umweltschutz, soweit Energierecht betroffen ist. Sie ergänzt den Bereich unter Buchstabe h, soweit die Förderung von Energie aus erneuerbaren Quellen und Energieeffizienz betroffen ist.
Zu Absatz 1 Nr. 3 lit. k
Mit der Auflistung in Buchstabe k werden die Rechtsakte des Anhangs Teil I Buchstabe G der HinSch-RL sowie sonstiges in engem Sachzusammenhang stehendes Recht in den sachlichen Anwendungsbereich einbezogen. Umfasst hiervon sind Bestimmungen zur Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit, zum ökologischen Landbau, zur Tiergesundheit und zum Tierschutz, soweit die Bestimmungen dem Schutz von landwirtschaftlichen Nutztieren, von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung, zur Haltung von Wildtieren in Zoos, zum Schutz der für wissenschaftlichen Zwecke verwendeten Tiere sowie zum Schutz der Tiere beim Transport und den damit zusammenhängenden Vorgängen dienen. Zur Vermeidung von Wertungswiedersprüchen werden auch die Bereiche des Geoschutzes und des Inverkehrbringens und Verwendens von Pflanzenschutzmitteln vom Anwendungsbereich erfasst. Unter den Begriff der Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit fallen dabei sämtliche lebensmittel- und futtermit-
telrechtliche Vorschriften, ohne Rücksicht auf das Vorliegen oder Fehlen einer Gesundheitsgefährdung. Insbesondere erfasst werden Vorschriften des Täuschungsschutzes im Sinne von Artikel 16 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002.
Zu Absatz 1 Nr. 3 lit. l
Die Vorschrift definiert den Anwendungsbereich des Gesetzes im Bereich der öffentlichen Gesundheit. Gemäß Anhang Teil 1 Buchstabe H der HinSch-RL fallen hierunter insbesondere Maßnahmen zur Festlegung hoher Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Organe und Substanzen menschlichen Ursprungs, Maßnahmen zur Festlegung hoher Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Human- und Tierarzneimittel, Medizinprodukte und Patientenrechte gemäß der Richtlinie 2011/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2011 über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung (ABl. L 88 vom 4.4.2011, S. 45). Ergänzt wird der sachliche Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzes um Verstöße gegen Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Medizinprodukte, die sich insbesondere aus der Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über Medizinprodukte, zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 und zur Aufhebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG des Rates (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S. 1) ergeben. Hierdurch wird ein Gleichlauf des Schutzstandards im Bereich der öffentlichen Gesundheit erreicht. Sachliche Gründe für eine Ungleichbehandlung von hinweisgebenden Personen, die Verstöße gegen Qualitäts- und Sicherheitsstandards im ersten Fall von Arzneimitteln, im zweiten Fall von Medizinprodukten melden oder offenlegen, sind nicht ersichtlich.
Zu Absatz 1 Nr. 3 lit. m
Buchstabe m setzt Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer viii in Verbindung mit Anhang Teil 1 Buchstabe H Nummer 4 der HinSch-RL um.
Zu Absatz 1 Nr. 3 lit. n
In den aufgezählten Rechtsbereichen fallen nur solche Regelungen in den sachlichen Anwendungsbereich, die zumindest auch verbraucherschützenden Charakter haben. Sonstige Bestimmungen sind hingegen nicht erfasst. Zu den Regelungen der Verbraucherrechte und des Verbraucherschutzes im Zusammenhang mit Verträgen zwischen Unternehmerinnen und Unternehmern und Verbraucherinnen und Verbrauchern zählen beispielsweise solche Vorschriften, die in Umsetzung der Richtlinie 2011/83/EU und der Richtlinie (EU) 2019/770 außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge, Fernabsatzverträge und Verträge über die Bereitstellung digitaler Inhalte betreffen. Ebenso gehören dazu die zwischen Unternehmern und Verbrauchern geltenden Vorschriften des Kaufvertragsrechts, mit denen die Richtlinie 1999/44/EG und die Richtlinie (EU) 2019/771 in das deutsche Recht umgesetzt werden (§§ 433 ff., 474 ff. BGB). Erfasst werden aber auch alle übrigen Regelungen der Verbraucher-
rechte im Zusammenhang mit Verträgen zwischen Unternehmerinnen beziehungsweise Unternehmern und Verbraucherinnen beziehungsweise Verbrauchern, die zumindest auch verbraucherschützenden Charakter haben. Im Bereich der Zahlungskonten und Finanzdienstleistungen sind alle verbraucherschützenden Regelungen erfasst, die Bankgeschäfte und sonstige Finanzdienstleistungen betreffen. Erfasst sind daher Vorgaben zu Konto- und Zahlungsdiensten ebenso wie die Regelungen des Verbraucherkreditrechts. Die Vorschrift dient der Umsetzung von Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer ix in Verbindung mit dem Anhang Teil I Buchstabe I der HinSch-RL. Nicht erfasst ist der Bereich des gesundheitlichen Verbraucherschutzes.
Zu Absatz 1 Nr. 3 lit. o
Die Vorschrift setzt Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer x in Verbindung mit dem Anhang Teil I Buchstabe J der HinSch-RL und den dortigen Verweis auf die Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation, ABl. L 201 vom 31. Juli 2002, S. 37) um.
Zu Absatz 1 Nr. 3 lit. p
Die Vorschrift setzt Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer x in Verbindung mit dem Anhang Teil I Buchstabe J der HinSch-RL und den dortigen Verweis auf die DSGVO um.
Zu Absatz 1 Nr. 3 lit. q
Die Vorschrift setzt Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer x in Verbindung mit dem Anhang Teil I Buchstabe J der HinSch-RL und den dortigen Verweis auf die Richtlinie (EU) 2016/1148 über Maßnahmen zur Gewährleistung eines hohen gemeinsamen Sicherheitsniveaus von Netz- und Informationssystemen in der Union (ABl. L 194 vom 19.7.2016, S. 1) um.
Zu Absatz 1 Nr. 3 lit. r
Die im Anhang Teil 1 der HinSch-RL genannte Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften (ABl. L 184 vom 14.7.2007, S. 17) enthält punktuelle und über mehrere Bereiche des Aktienrechts verteilte Aktionärsrechte und begleitende Vorkehrungen, die im Aktiengesetz an verschiedenen Stellen umgesetzt worden sind. Handhabbarkeit und Praktikabilität der neuen Regelungen werden gewährleistet, indem alle gesetzlichen Vorgaben zur Regelung der Rechte von Aktionären von Aktiengesellschaften einbezogen werden. Die Regelung erfasst auch Europäische Aktiengesellschaften (SE), da diese nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) (ABl. L 294 vom 10.11.2001, S. 1) als Aktiengesellschaften gelten.
Zu Absatz 1 Nr. 3 lit. s
Die Vorschrift setzt Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer ii in Verbindung mit dem Anhang Teil I Buchstabe B Ziffer vii der HinSch-RL um.
Zu Absatz 1 Nr. 3 lit. t
Entsprechend den Vorgaben in Anhang Teil I Buchstabe B der HinSch-RL werden Verstöße gegen Vorschriften der Rechnungslegung einschließlich der Buchführung in den sachlichen Anwendungsbereich einbezogen bei kapitalmarktorientierten Unternehmen sowie Zahlungs- und E-Geldinstituten, vergleiche insoweit Anhang Teil I Buchstabe B Ziffer i, ix und xii der HinSch-RL. Darüber hinaus werden solche Verstöße bei Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen einbezogen, da diese Unternehmen in der Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates (ABl. L 182 vom 29.6.2013, S. 19), die zuletzt durch die Richtlinie (EU) 2021/2101 (ABl. L 429 vom 1.12.2021, S. 1) geändert worden ist, als Unternehmen von öffentlichem Interesse deklariert werden und die Nichteinbeziehung daher wertungswidersprüchlich wäre. Einbezogen werden auch Verstöße gegen Vorschriften der Rechnungslegung bei Finanzdienstleistungs- und Wertpapierinstituten. Diese Unternehmen legen wie die
zwingend einzubeziehenden Zahlungs- und E-Geldinstitute nach dem Ersten Unterabschnitt des Vierten Abschnitts des Dritten Buchs des Handelsgesetzbuchs Rechnung und werden ebenfalls von der BaFin beaufsichtigt. Schließlich werden auch Verstöße gegen die Rechnungslegungsvorgaben bei Pensionsfonds einbezogen. Bei anderen Unternehmen werden Verstöße gegen Rechnungslegungsvorschriften in den sachlichen Anwendungsbereich einbezogen, wenn sie strafbewehrt sind, weil dann die Voraussetzungen des § 2 Absatz 1 Nummer 1 HinSchG vorliegen.
Zu Absatz 1 Nr. 4
Erfasst sind Verstöße gegen bundesrechtlich und einheitlich geltende Regelungen für Vergaben von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen mit einem Auftragswert in Höhe von oder oberhalb der EU-Schwellenwerte (siehe § 106 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen – GWB). Es geht insoweit um Verstöße im Anwendungsbereich der entsprechenden Richtlinien 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 65), 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 1), 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 243), 2009/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juni 2009 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe bestimmter Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit und zur Änderung der Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG (ABl. L 216 vom 20.8.2009, S. 76) inklusive der Nachprüfungsverfahren gemäß Richtlinie 92/13/EWG des Rates vom 25. Februar
1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (ABl. L 76 vom 23.3.1992, S. 14), Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (ABl. L 395 vom 30.12.1989, S. 33) und möglicher nachfolgender Unionsrechtsakte und ihrer nationalen Umsetzungsvorschriften (hier insbesondere Teil 4 des GWB sowie die Vergabeverordnung). Öffentliche Aufträge und Konzessionen, die unter Artikel 346 AEUV fallen, sind nicht umfasst. Ebenso sind nicht erfasst Verstöße gegen Landesvergabegesetze- und -verordnungen sowie gegen Vorschriften, die nur Vergaben der Bundesverwaltung betreffen.
Zu Absatz 1 Nr. 5
§ 4d FinDAG etabliert bereits ein Hinweisgeberschutzsystem für den Bereich der Finanzdienstleistungen und alle sonstigen Verstöße, bei denen es die Aufgabe der BaFin ist, deren Einhaltung durch die von ihr beaufsichtigten Unternehmen und Personen sicherzustellen. Die von der HinSch-RL im Anhang Teil I Buchstabe B für die Bereiche Finanzdienstleistungen, Finanzprodukte und Finanzmärkte umfassten Richtlinien und Verordnungen unterfallen dem Meldesystem nach § 4d FinDAG. Diese Aufteilung soll aufgrund der Sachnähe der BaFin beibehalten werden. Hierzu wird der Bereich in den sachlichen Anwendungsbereich des HinSchG mit einbezogen und in § 21 dem dortigen Meldesystem zugewiesen.
Zu Absatz 1 Nr. 6
Die Vorschrift setzt Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe c Alternative 1 der HinSch-RL um. Die hinweisgebende Person kann sich nur dann auf den Hinweisgeberschutz berufen, wenn der mitgeteilte Sachverhalt Umstände betrifft, die dazu dienen oder dienen sollen, Körperschaften oder Personenhandelsgesellschaften entgegen der für sie geltenden steuerlichen Rechtsnormen, insbesondere der Vorschriften zu Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, Einkommensteuer – soweit Gewinneinkünfte (§ 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 des Einkommensteuergesetzes) betroffen sind – oder Umsatzsteuer, einen steuerlichen Vorteil zu verschaffen. Es wäre nicht sachgerecht, hier zwischen Körperschaften und Personenhandelsgesellschaften zu differenzieren. Im Hinblick auf große mittelständische Unternehmen, die in Deutschland anders als in anderen Mitgliedstaaten häufig als nicht körperschaftsteuerpflichtige rechtsfähige Personenhandelsgesellschaften organisiert sind, wäre es zum Beispiel in Bezug auf ihre Umsatzsteuerpflichtigkeit schwer zu vermitteln, diese durch eine Beschränkung auf die Körperschaftsteuerpflich-
tigkeit explizit vom Schutzbereich der Regelung auszunehmen. Daher wurde vom Wortlaut der (deutschen Fassung der) HinSch-RL abgewichen.
Zu Absatz 1 Nr. 7
Die Vorschrift setzt Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe c Alternative 2 der HinSch-RL um. Hinweisgebende Personen sollen geschützt werden, wenn sie Vereinbarungen melden oder offenlegen, die darauf abzielen, Körperschaften oder Personenhandelsgesellschaften einen steuerlichen Vorteil (siehe dazu die Begründung zu § 2 Absatz 1 Nummer 6) zu verschaffen, der dem Ziel oder dem Zweck des für Körperschaften und Personenhandelsgesellschaften geltenden Steuerrechts zuwiderläuft. Im Verhältnis zu Nummer 6 ist Nummer 7 insoweit zeitlich vorgelagert, als vom Hinweisgeberschutz bereits Vereinbarungen erfasst sind, die darauf abzielen, sich durch Verstöße gegen für Körperschaften und Personenhandelsgesellschaften geltende steuerliche Rechtsnormen missbräuchlich Steuervorteile zu verschaffen. Als ein solcher Verstoß kommt insbesondere ein Gestaltungsmissbrauch im Sinne des
§ 42 AO in Betracht, d. h. die Wahl einer unangemessenen rechtlichen Gestaltung, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führen kann.
Zu Absatz 1 Nr. 8
Neben Verstößen gegen die Artikel 101 und 102 AEUV unterliegt auch die Meldung und Offenlegung von Informationen über Verstöße gegen die entsprechenden Parallelvorschriften des deutschen Wettbewerbsrechts dem sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes. Der deutsche Gesetzgeber hat sich für einen Gleichlauf der nationalen Kartellrechtsbestimmungen (insbesondere §§ 1, 19 und 20 GWB) mit den unionsrechtlichen Vorgaben (Artikel 101 und Artikel 102 AEUV) entschieden, um schwierige Abgrenzungsfragen im Zusammenhang mit der Bestimmung des Anwendungsbereichs des EU-Wettbewerbsrechts zu vermeiden (vgl. Begründung zur 7. GWB-Novelle, BT-Drs. 15/3640, S. 22, 23). Diese Erwägungen sind auch bei der Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs des Hinweisgeberschutzgesetzes beachtlich. Die parallele Erfassung sowohl des europäischen als auch des nationalen Wettbewerbsrechts dient der Rechtssicherheit der hinweisgebenden Personen und vermeidet
Wertungswidersprüche hinsichtlich der effektiven Durchsetzung des Wettbewerbsrechts aus europäischer und nationaler Rechtsquelle.
Zu Absatz 2 Nr. 1
Absatz 2 dient der Umsetzung von Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b der HinSch-RL. Unter Verstöße gegen die finanziellen Interessen der Union im Sinne von Artikel 325 AEUV fallen insbesondere solche gemäß den genaueren Definitionen in einschlägigen Unionsmaßnahmen. Hierzu zählen nach Erwägungsgrund 15 vor allem die Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 312 vom 23.12.1995) und die Verordnung (EU, Euratom) Nr. 883/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. September 2013 über die Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1073/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (Euratom) Nr. 1074/1999 des Rates (ABl. L 248 vom 18.9.2013, S. 1). Die Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 wird bezüglich der schwersten Formen betrugsähnlichen Verhaltens ergänzt durch die Richtlinie (EU) 2017/1371 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2017 über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Uniongerichtetem Betrug (ABl. L 198 vom 28.7.2017, S. 29) und das Übereinkommen aufgrund von Artikel K.3 des
Vertrags über die Europäische Union über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften vom 26. Juli 1995, einschließlich der dazugehörigen Protokolle vom 27. September 1996, 29. November 1996 und 19. Juni 1997.
Verstöße gegen die finanziellen Interessen der Union im Sinne von Artikel 325 AEUV können gegebenenfalls aber auch durch zukünftige Unionsrechtsakte besonders geschützt werden, auf die sich der Anwendungsbereich dieses Absatzes ebenfalls erstrecken würde.
Strafrechtlich relevante Handlungen gegen die finanziellen Interessen der Union sind insbesondere diejenigen, die durch die Richtlinie (EU) 2017/1371 sanktioniert werden. Diese Richtlinie wurde durch das EU-Finanzschutzstärkungsgesetz in nationales Recht umgesetzt. Allerdings sind die erfassten Verstöße nicht auf strafrechtlich relevante Handlungen begrenzt, die im Übrigen auch bereits von Absatz 1 Nummer 1 abgedeckt werden. Denn die in Artikel 325 AEUV verwendete Formulierung „Betrügereien und sonstigen gegen die finanziellen Interessen der Union gerichteten rechtswidrigen Handlungen“ wird ausgehend vom Zweck der Vorschrift weit ausgelegt.
Erfasst werden sowohl alle subjektiv vorwerfbaren Handlungen, die Verstöße gegen positives Unionsrecht bewirken, als auch – ohne dass ein Rechtsverstoß vorliegen müsste – alle Schein- und Umgehungstatbestände, das heißt solche Handlungen, die formal rechtstreu sind, deren einziger oder vorrangiger Zweck jedoch darin besteht, die Union finanziell zu schädigen (vergleiche Calliess/Ruffert/Waldhoff, AEUV, Artikel 325, Rn. 4). Die Skala der Verhaltensweisen zum Nachteil der finanziellen Unionsinteressen reicht dementsprechend von einer fahrlässigen Missachtung unionsrechtlicher Normen als „einfacher Unregelmäßigkeit“ bis hin zu vorsätzlich begangenen Straftaten (vergleiche Grabitz/Hilf/Nettesheim/Magiera, AEUV, Artikel 325, Rn. 17).
Der Begriff der Betrügereien ist somit weit zu fassen und betrifft sowohl strafrechtliches wie auch ordnungswidriges Verhalten, verlangt aber als subjektives Element eine vorsätzliche oder fahrlässige Schädigung der finanziellen Interessen der EU (Schwarze/Becker/Hatje/Schoo, AEUV, Artikel 325, Rn. 19).
Zu Absatz 2 Nr. 2
Die Vorschrift setzt Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe c Alternative 1 der HinSch-RL um.