Whistleblower Richtlinie

Inhaltsverzeichnis (für den Volltext einfach nach unten scrollen)

Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden

KAPITEL I
ANWENDUNGSBEREICH, BEGRIFFSBESTIMMUNGEN UND SCHUTZVORAUSSETZUNGEN

Artikel 1 Ziel
Artikel 2 Sachlicher Anwendungsbereich
Artikel 3 Beziehung zu anderen Unionsrechtsakten und nationalen Bestimmungen
Artikel 4 Persönlicher Anwendungsbereich
Artikel 5 Begriffsbestimmungen
Artikel 6 Voraussetzungen für den Schutz von Hinweisgebern

KAPITEL II
INTERNE MELDUNGEN UND FOLGEMAẞNAHMEN

Artikel 7 Meldung über interne Meldekanäle
Artikel 8 Pflicht zur Einrichtung interner Meldekanäle
Artikel 9 Verfahren für interne Meldungen und Folgemaßnahmen

KAPITEL III
EXTERNE MELDUNGEN UND FOLGEMAẞNAHMEN

Artikel 10 Meldung über externe Meldekanäle
Artikel 11 Pflicht zur Einrichtung externer Meldekanäle und Ergreifung von Folgemaßnahmen nach Meldungen
Artikel 12 Gestaltung externer Meldekanäle
Artikel 13 Informationen über die Entgegennahme von Meldungen und die betreffenden Folgemaßnahmen
Artikel 14 Überprüfung der Verfahren durch die zuständigen Behörden

KAPITEL IV
OFFENLEGUNG

Artikel 15 Offenlegung

KAPITEL V
VORSCHRIFTEN FÜR INTERNE UND EXTERNE MELDUNGEN

Artikel 16 Vertraulichkeitsgebot
Artikel 17 Verarbeitung personenbezogener Daten
Artikel 18 Dokumentation der Meldungen

KAPITEL VI
SCHUTZMAẞNAHMEN

Artikel 19 Verbot von Repressalien
Artikel 20 Unterstützende Maßnahmen
Artikel 21 Maßnahmen zum Schutz vor Repressalien
Artikel 22 Maßnahmen zum Schutz betroffener Personen
Artikel 23 Sanktionen
Artikel 24 Keine Aufhebung von Rechten und Rechtsbehelfen

KAPITEL VII
SCHLUSSBESTIMMUNGEN

Artikel 25 Günstigere Behandlung und Regressionsverbot
Artikel 26 Umsetzung und Übergangszeitraum
Artikel 27 Berichterstattung, Bewertung und Überprüfung
Artikel 28 Inkrafttreten
Artikel 29 Adressaten

KAPITEL I
ANWENDUNGSBEREICH, BEGRIFFSBESTIMMUNGEN UND SCHUTZVORAUSSETZUNGEN

Artikel 1 Ziel
Ziel dieser Richtlinie ist eine bessere Durchsetzung des Unionsrechts und der Unionspolitik in bestimmten Bereichen durch die Festlegung gemeinsamer Mindeststandards, die ein hohes Schutzniveau für Personen sicherstellen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden.

Artikel 2 Sachlicher Anwendungsbereich
(1) Durch diese Richtlinie werden gemeinsame Mindeststandards für den Schutz von Personen festgelegt, die folgende Verstöße gegen das Unionsrecht melden:

a) Verstöße, die in den Anwendungsbereich der im Anhang aufgeführten Rechtsakte der Union fallen und folgende Bereiche betreffen:

i) öffentliches Auftragswesen,
ii) Finanzdienstleistungen, Finanzprodukte und Finanzmärkte sowie Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung,
iii) Produktsicherheit und -konformität,
iv) Verkehrssicherheit,
v) Umweltschutz,
vi) Strahlenschutz und kerntechnische Sicherheit,
vii) Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit, Tiergesundheit und Tierschutz,
viii) öffentliche Gesundheit,
ix) Verbraucherschutz,
x) Schutz der Privatsphäre und personenbezogener Daten sowie Sicherheit von Netz- und Informationssystemen;

b) Verstöße gegen die finanziellen Interessen der Union im Sinne von Artikel 325 AEUV sowie gemäß den genaueren Definitionen in einschlägigen Unionsmaßnahmen;

c) Verstöße gegen die Binnenmarktvorschriften im Sinne von Artikel 26 Absatz 2 AEUV, einschließlich Verstöße gegen Unionsvorschriften über Wettbewerb und staatliche Beihilfen, sowie Verstöße gegen die Binnenmarktvorschriften in Bezug auf Handlungen, die die Körperschaftsteuer-Vorschriften verletzen oder in Bezug auf Vereinbarungen, die darauf abzielen, sich einen steuerlichen Vorteil zu verschaffen, der dem Ziel oder dem Zweck des geltenden Körperschaftsteuerrechts zuwiderläuft.

(2) Diese Richtlinie lässt die Befugnis der Mitgliedstaaten unberührt, den Schutz nach nationalem Recht in Bezug auf Bereiche oder Rechtsakte auszudehnen, die nicht unter Absatz 1 fallen.

Artikel 3 Beziehung zu anderen Unionsrechtsakten und nationalen Bestimmungen
(1) Falls die in Teil II des Anhangs aufgeführten sektorspezifischen Rechtsakte der Union spezifische Regeln über die Meldung von Verstößen enthalten, gelten diese Regeln. Die Bestimmungen dieser Richtlinie gelten insoweit, als die betreffende Frage durch diese sektorspezifischen Rechtsakte der Union nicht verbindlich geregelt ist.

(2) Diese Richtlinie berührt nicht die Verantwortung der Mitgliedstaaten, die nationale Sicherheit zu gewährleisten, oder ihre Befugnis zum Schutz ihrer wesentlichen Sicherheitsinteressen. Diese Richtlinie gilt insbesondere nicht für Meldungen von Verstößen gegen die Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge, die Verteidigungs- oder Sicherheitsaspekte betreffen, es sei denn, diese fallen unter das einschlägige Unionsrecht.

(3) Diese Richtlinie berührt nicht die Anwendung von Unionsrecht oder nationalem Recht in Bezug auf alle folgenden Punkte:

a) den Schutz von Verschlusssachen;
b) den Schutz der anwaltlichen und ärztlichen Verschwiegenheitspflichten;
c) das richterliche Beratungsgeheimnis;
d) das Strafprozessrecht.

(4) Diese Richtlinie berührt nicht die nationalen Vorschriften über die Wahrnehmung des Rechts von Arbeitnehmern, ihre Vertreter oder Gewerkschaften zu konsultieren, und über den Schutz vor ungerechtfertigten nachteiligen Maßnahmen aufgrund einer solchen Konsultation sowie über die Autonomie der Sozialpartner und deren Recht, Tarifverträge einzugehen. Dies gilt unbeschadet des durch diese Richtlinie garantierten Schutzniveaus.

Artikel 4 Persönlicher Anwendungsbereich
(1) Diese Richtlinie gilt für Hinweisgeber, die im privaten oder im öffentlichen Sektor tätig sind und im beruflichen Kontext Informationen über Verstöße erlangt haben, und schließt mindestens folgende Personen ein:

a) Arbeitnehmer im Sinne von Artikel 45 Absatz 1 AEUV, einschließlich Beamte;
b) Selbstständige im Sinne von Artikel 49 AEUV;
c) Anteilseigner und Personen, die dem Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan eines Unternehmens angehören, einschließlich der nicht geschäftsführenden Mitglieder, sowie Freiwillige und bezahlte oder unbezahlte Praktikanten;
d) Personen, die unter der Aufsicht und Leitung von Auftragnehmern, Unterauftragnehmern und Lieferanten arbeiten.

(2) Diese Richtlinie gilt auch für Hinweisgeber, die Informationen über Verstöße melden oder offenlegen, von denen sie im Rahmen eines inzwischen beendeten Arbeitsverhältnisses Kenntnis erlangt haben.

(3) Diese Richtlinie gilt auch für Hinweisgeber, deren Arbeitsverhältnis noch nicht begonnen hat und die während des Einstellungsverfahrens oder anderer vorvertraglicher Verhandlungen Informationen über Verstöße erlangt haben.

(4) Die Maßnahmen zum Schutz von Hinweisgebern gemäß Kapitel VI gelten, soweit einschlägig, auch für

a) Mittler,
b) Dritte, die mit den Hinweisgebern in Verbindung stehen und in einem beruflichen Kontext Repressalien erleiden könnten, wie z. B. Kollegen oder Verwandte des Hinweisgebers, und
c) juristische Personen, die im Eigentum des Hinweisgebers stehen oder für die der Hinweisgeber arbeitet oder mit denen er in einem beruflichen Kontext anderweitig in Verbindung steht.

Artikel 5 Begriffsbestimmungen
Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

    1. „Verstöße“ Handlungen oder Unterlassungen, die
      1. i) rechtswidrig sind und mit den Rechtsakten der Union und den Bereichen in Zusammenhang stehen, die in den sachlichen Anwendungsbereich gemäß Artikel 2 fallen, oder
        ii) dem Ziel oder dem Zweck der Vorschriften der Rechtsakte der Union und der Bereiche, die in den sachlichen Anwendungsbereich gemäß Artikel 2 fallen, zuwiderlaufen;
    2. „Informationen über Verstöße“ Informationen, einschließlich begründeter Verdachtsmomente, in Bezug auf tatsächliche oder potenzielle Verstöße, die in der Organisation, in der der Hinweisgeber tätig ist oder war, oder in einer anderen Organisation, mit der der Hinweisgeber aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit im Kontakt steht oder stand, bereits begangen wurden oder sehr wahrscheinlich erfolgen werden, sowie in Bezug auf Versuche der Verschleierung solcher Verstöße;
    3. „Meldung“ oder „melden“ die mündliche oder schriftliche Mitteilung von Informationen über Verstöße;
    4. „interne Meldung“ die mündliche oder schriftliche Mitteilung von Informationen über Verstöße innerhalb einer juristischen Person des privaten oder öffentlichen Sektors;
    5. „externe Meldung“ die mündliche oder schriftliche Mitteilung von Informationen über Verstöße an die zuständigen Behörden;
    6. „Offenlegung“ oder „offenlegen“ das öffentliche Zugänglichmachen von Informationen über Verstöße;
    7. „Hinweisgeber“ eine natürliche Person, die im Zusammenhang mit ihren Arbeitstätigkeiten erlangte Informationen über Verstöße meldet oder offenlegt;
    8. „Mittler“ eine natürliche Person, die einen Hinweisgeber bei dem Meldeverfahren in einem beruflichen Kontext unterstützt und deren Unterstützung vertraulich sein sollte;
    9. „beruflicher Kontext“ laufende oder frühere Arbeitstätigkeiten im öffentlichen oder im privaten Sektor, durch die Personen unabhängig von der Art der Tätigkeiten Informationen über Verstöße erlangen und bei denen sich diese Personen Repressalien ausgesetzt sehen könnten, wenn sie diese Informationen melden würden;
    10. „betroffene Person“ eine natürliche oder eine juristische Person, die in der Meldung oder in der Offenlegung als eine Person bezeichnet wird, die den Verstoß begangen hat, oder mit der die bezeichnete Person verbunden ist;
    11. „Repressalien“ direkte oder indirekte Handlungen oder Unterlassungen in einem beruflichen Kontext, die durch eine interne oder externe Meldung oder eine Offenlegung ausgelöst werden und durch die dem Hinweisgeber ein ungerechtfertigter Nachteil entsteht oder entstehen kann;
    12. „Folgemaßnahmen“ vom Empfänger einer Meldung oder einer zuständigen Behörde ergriffene Maßnahmen zur Prüfung der Stichhaltigkeit der in der Meldung erhobenen Behauptungen und gegebenenfalls zum Vorgehen gegen den gemeldeten Verstoß, unter anderem durch interne Nachforschungen, Ermittlungen, Strafverfolgungsmaßnahmen, Maßnahmen zur (Wieder-)Einziehung von Mitteln oder Abschluss des Verfahrens;
    13. „Rückmeldung“ die Unterrichtung des Hinweisgebers über die geplanten oder bereits ergriffenen Folgemaßnahmen und die Gründe für diese Folgemaßnahmen;
    14. „zuständige Behörde“ die nationale Behörde, die benannt wurde, um Meldungen nach Kapitel III entgegenzunehmen und dem Hinweisgeber Rückmeldung zu geben und/oder als die Behörde benannt wurde, welche die in dieser Richtlinie vorgesehenen Aufgaben — insbesondere in Bezug auf etwaige Folgemaßnahmen — erfüllt.

    1. Artikel 6 Voraussetzungen für den Schutz von Hinweisgebern

      (1)   Hinweisgeber haben Anspruch auf Schutz nach dieser Richtlinie, sofern

      a) sie hinreichenden Grund zu der Annahme hatten, dass die gemeldeten Informationen über Verstöße zum Zeitpunkt der Meldung der Wahrheit entsprachen und dass diese Informationen in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fielen, und
      b) sie intern gemäß Artikel 7 oder extern gemäß Artikel 10 Meldung erstattet haben oder eine Offenlegung gemäß Artikel 15 vorgenommen haben.

      (2) Unbeschadet der nach Unionsrecht bestehenden Verpflichtungen in Bezug auf anonyme Meldungen berührt diese Richtlinie nicht die Befugnis der Mitgliedstaaten zu entscheiden, ob juristische Personen des privaten oder öffentlichen Sektors und zuständige Behörden zur Entgegennahme und Weiterverfolgung anonymer Meldungen von Verstößen verpflichtet sind.

      (3) Personen, die Informationen über Verstöße anonym gemeldet oder offengelegt haben, anschließend jedoch identifiziert wurden und Repressalien erleiden, haben dennoch Anspruch auf Schutz gemäß Kapitel VI, sofern sie die Voraussetzungen gemäß Absatz 1 erfüllen.

      (4) Personen, die den zuständigen Organen, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallende Verstöße melden, haben unter den gleichen Bedingungen Anspruch auf Schutz im Rahmen dieser Richtlinie wie Personen, die extern Meldung erstatten.

      KAPITEL II
      INTERNE MELDUNGEN UND FOLGEMAẞNAHMEN

      Artikel 7 Meldung über interne Meldekanäle
      (1) Unbeschadet der Artikel 10 und 15 können Informationen über Verstöße grundsätzlich unter Nutzung der internen Meldekanäle und Verfahren nach Maßgabe dieses Kapitels gemeldet werden.

      (2) Die Mitgliedstaaten setzen sich dafür ein, dass die Meldung über interne Meldekanäle gegenüber der Meldung über externe Meldekanäle in den Fällen bevorzugt wird, in denen intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und der Hinweisgeber keine Repressalien befürchtet.

      (3) Im Rahmen der Unterrichtung vonseiten juristischer Personen des privaten und öffentlichen Sektors gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe g und vonseiten zuständiger Behörden gemäß Artikel 12 Absatz 4 Buchstabe a und Artikel 13 werden zweckdienliche Informationen über die Nutzung der internen Meldekanäle gemäß Absatz 2 bereitgestellt.

      Artikel 8 Pflicht zur Einrichtung interner Meldekanäle
      (1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass juristische Personen des privaten und öffentlichen Sektors Kanäle und Verfahren für interne Meldungen und für Folgemaßnahmen einrichten; sofern nach nationalem Recht vorgesehen, nach Rücksprache und im Einvernehmen mit den Sozialpartnern.

      (2) Die Kanäle und Verfahren gemäß Absatz 1 dieses Artikels müssen den Arbeitnehmern der juristischen Person die Meldung von Informationen über Verstöße ermöglichen. Sie können auch den in Artikel 4 Absatz 1 Buchstaben b, c und d und Artikel 4 Absatz 2 genannten anderen Personen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeiten mit der juristischen Person im Kontakt stehen, die Meldung von Informationen über Verstöße ermöglichen.

      (3) Absatz 1 gilt für juristische Personen des privaten Sektors mit 50 oder mehr Arbeitnehmern.

      (4) Der in Absatz 3 festgelegte Schwellenwert gilt nicht für juristische Personen, die unter die im Anhang in den Teilen I.B und II genannten Unionsrechtsakte fallen.

      (5) Meldekanäle können intern von einer hierfür benannten Person oder Abteilung betrieben oder extern von einem Dritten bereitgestellt werden. Die in Artikel 9 Absatz 1 genannten Garantien und Anforderungen gelten auch für Dritte, die damit beauftragt sind, den Meldekanal für eine juristische Person des privaten Sektors zu betreiben.

      (6) Juristische Personen des privaten Sektors mit 50 bis 249 Arbeitnehmern können für die Entgegennahme von Meldungen und für möglicherweise durchzuführende Untersuchungen Ressourcen teilen. Dies gilt unbeschadet der diesen juristischen Personen durch diese Richtlinie auferlegten Verpflichtung, Vertraulichkeit zu wahren, Rückmeldung zu geben und gegen den gemeldeten Verstoß vorzugehen.

      (7) Nach einer geeigneten Risikobewertung, die der Art der Tätigkeiten der juristischen Personen und dem von ihnen ausgehenden Risiko — insbesondere für die Umwelt und die öffentliche Gesundheit — Rechnung trägt, können die Mitgliedstaaten juristische Personen des privaten Sektors mit weniger als 50 Arbeitnehmern verpflichten, interne Meldekanäle und -verfahren gemäß Kapitel II einzurichten.

      (8) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission jede gemäß Absatz 7 gefasste Entscheidung, juristische Personen des privaten Sektors zur Einrichtung interner Meldekanäle zu verpflichten, mit. Diese Mitteilung enthält eine Begründung der Entscheidung und die in der Risikobewertung nach Absatz 7 verwendeten Kriterien. Die Kommission setzt die anderen Mitgliedstaaten von dieser Entscheidung in Kenntnis.

      (9) Absatz 1 gilt für alle juristischen Personen des öffentlichen Sektors, einschließlich Stellen, die im Eigentum oder unter der Kontrolle einer solchen juristischen Person stehen. Die Mitgliedstaaten können Gemeinden mit weniger als 10 000 Einwohnern oder weniger als 50 Arbeitnehmern oder sonstige juristische Personen im Sinne von Unterabsatz 1 dieses Absatzes mit weniger als 50 Arbeitnehmern von der Verpflichtung nach Absatz 1 ausnehmen. Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass interne Meldekanäle entsprechend dem nationalen Recht von Gemeinden gemeinsam oder von gemeinsamen Behördendiensten betrieben werden können, sofern die geteilten internen Meldekanäle von den einschlägigen externen Meldekanälen getrennt und gegenüber diesen autonom sind.

      Artikel 9 Verfahren für interne Meldungen und Folgemaßnahmen
      (1) Die Verfahren für interne Meldungen und Folgemaßnahmen gemäß Artikel 8 schließen Folgendes ein:

      a) Meldekanäle, die so sicher konzipiert, eingerichtet und betrieben werden, dass die Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebers und Dritter, die in der Meldung erwähnt werden, gewahrt bleibt und nicht befugten Mitarbeitern der Zugriff darauf verwehrt wird;
      b) eine innerhalb einer Frist von sieben Tagen nach Eingang der Meldung an den Hinweisgeber zu richtende Bestätigung dieses Eingangs;
      c) die Benennung einer unparteiischen Person oder Abteilung, die für die Folgemaßnahmen zu den Meldungen zuständig ist, wobei es sich um dieselbe Person oder Abteilung handeln kann, die die Meldungen entgegennimmt und die mit dem Hinweisgeber in Kontakt bleibt, diesen erforderlichenfalls um weitere Informationen ersucht und ihm Rückmeldung gibt;
      d) ordnungsgemäße Folgemaßnahmen der benannten Person oder Abteilung nach Buchstabe c;
      e) ordnungsgemäße Folgemaßnahmen in Bezug auf anonyme Meldungen, sofern durch das nationale Recht vorgesehen;
      f) einen angemessenen zeitlichen Rahmen für die Rückmeldung an den Hinweisgeber, und zwar von maximal drei Monaten ab der Bestätigung des Eingangs der Meldung bzw. — wenn der Eingang dem Hinweisgeber nicht bestätigt wurde — drei Monate nach Ablauf der Frist von sieben Tagen nach Eingang der Meldung;
      g) die Erteilung klarer und leicht zugänglicher Informationen über die Verfahren für externe Meldungen an die zuständigen Behörden nach Artikel 10 und gegebenenfalls an Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen der Union.

      (2) Die Meldekanäle gemäß Absatz 1 Buchstabe a müssen die Meldung in schriftlicher oder mündlicher bzw. in beiden Formen ermöglichen. Mündliche Meldungen müssen per Telefon oder mittels einer anderen Art der Sprachübermittlung sowie — auf Ersuchen des Hinweisgebers — im Wege einer physischen Zusammenkunft innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens möglich sein.

      KAPITEL III
      EXTERNE MELDUNGEN UND FOLGEMAẞNAHMEN

      Artikel 10 Meldung über externe Meldekanäle
      Unbeschadet des Artikels 15 Absatz 1 Buchstabe b melden Hinweisgeber Informationen über Verstöße unter Nutzung der Kanäle und Verfahren gemäß den Artikeln 11 und 12, nachdem sie zuerst über interne Meldekanäle Meldung erstattet haben, oder indem sie direkt über externe Meldekanäle Meldung erstatten.

      Artikel 11 Pflicht zur Einrichtung externer Meldekanäle und Ergreifung von Folgemaßnahmen nach Meldungen
      (1) Die Mitgliedstaaten benennen die zuständigen Behörden, die befugt sind, Meldungen entgegenzunehmen, Rückmeldung dazu zu geben und entsprechende Folgemaßnahmen zu ergreifen, und statten diese Behörden mit angemessenen Ressourcen aus.

      (2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Behörden

      a) unabhängige und autonome externe Meldekanäle für die Entgegennahme und Bearbeitung von Informationen über Verstöße einrichten;
      b) den Eingang der Meldungen umgehend, und in jedem Fall innerhalb von sieben Tagen nach dem Eingang der Meldung, bestätigen, sofern der Hinweisgeber sich nicht ausdrücklich dagegen ausgesprochen oder die zuständige Behörde hinreichenden Grund zu der Annahme hat, dass die Bestätigung des Eingangs der Meldung den Schutz der Identität des Hinweisgebers beeinträchtigen würde;
      c) ordnungsgemäße Folgemaßnahmen zu den Meldungen ergreifen;
      d) Hinweisgebern binnen eines angemessenen Zeitrahmens von maximal drei Monaten, bzw. sechs Monaten in hinreichend begründeten Fällen, Rückmeldung erstatten.
      e) dem Hinweisgeber das abschließende Ergebnis von durch die Meldung ausgelösten Untersuchungen nach den im nationalen Recht vorgesehenen Verfahren mitteilen;
      f) die in der Meldung enthaltenen Informationen rechtzeitig an die jeweils zuständigen Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union zur weiteren Untersuchung weiterleiten, sofern diese Möglichkeit nach dem Unionsrecht oder dem nationalen Recht besteht.

      (3) Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass die zuständigen Behörden nach ordnungsgemäßer Prüfung des Sachverhalts entscheiden können, dass ein gemeldeter Verstoß eindeutig geringfügig ist und mit Ausnahme des Abschlusses des Verfahrens keine weiteren Folgemaßnahmen gemäß dieser Richtlinie erfordert. Dies berührt nicht andere Verpflichtungen oder andere geltende Verfahren zum Vorgehen gegen den gemeldeten Verstoß, oder den durch diese Richtlinie gewährten Schutz in Bezug auf interne oder externe Meldungen. In diesem Fall teilen die zuständigen Behörden dem Hinweisgeber ihre Entscheidung und die Gründe hierfür mit.

      (4) Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass die zuständigen Behörden entscheiden können, Verfahren im Falle von wiederholten Meldungen abzuschließen, die im Vergleich zu einer vorangegangenen Meldung, für die die einschlägigen Verfahren abgeschlossen wurden, keine zweckdienlichen neuen Informationen über Verstöße beinhalten, es sei denn, neue rechtliche oder sachliche Umstände rechtfertigen ein anderes Vorgehen. In diesem Fall teilen die zuständigen Behörden dem Hinweisgeber ihre Entscheidung und die Gründe hierfür mit.

      (5) Für den Fall, dass sehr viele Meldungen eingehen, können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass die zuständigen Behörden Meldungen von schwerwiegenden Verstößen oder von Verstößen gegen wesentliche in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallende Bestimmungen vorrangig behandeln können; dies gilt unbeschadet des Zeitrahmens gemäß Absatz 2 Buchstabe d.

      (6) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Behörden, die eine Meldung erhalten haben, aber nicht befugt sind, gegen den gemeldeten Verstoß vorzugehen, die Meldung innerhalb einer angemessenen Frist auf sichere Weise an die zuständige Behörde weiterleiten und den Hinweisgeber unverzüglich über die Weiterleitung in Kenntnis setzen.

      Artikel 12 Gestaltung externer Meldekanäle
      (1) Externe Meldekanäle gelten als unabhängig und autonom, wenn sie alle folgenden Kriterien erfüllen:

      a) sie werden so gestaltet, eingerichtet und betrieben, dass die Vollständigkeit, Integrität und Vertraulichkeit der Informationen gewährleistet ist und nicht befugten Mitarbeitern der zuständigen Behörde der Zugriff darauf verwehrt wird;
      b) sie ermöglichen die dauerhafte Speicherung von Informationen gemäß Artikel 18, um weitere Untersuchungen zu ermöglichen.

      (2) Die externen Meldekanäle müssen die Meldung in schriftlicher und mündlicher Form ermöglichen. Mündliche Meldungen müssen per Telefon oder mittels einer anderen Art der Sprachübermittlung sowie — auf Ersuchen des Hinweisgebers — im Wege einer physischen Zusammenkunft innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens möglich sein.

      (3) Die zuständigen Behörden stellen sicher, dass es den entgegennehmenden Mitarbeitern in Fällen, in denen eine Meldung die über andere Kanäle als die in den Absätzen 1 und 2 genannten Meldekanäle eingegangen ist oder von anderen als den für die Bearbeitung zuständigen Mitarbeitern entgegengenommen wurde, untersagt ist, Informationen offenzulegen, durch die die Identität des Hinweisgebers oder der betroffenen Person bekannt werden könnte, und dass diese die Meldung unverzüglich und unverändert an die für die Bearbeitung von Meldungen zuständigen Mitarbeiter weiterleiten.

      (4) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Behörden Mitarbeiter benennen, die für die Bearbeitung von Meldungen und insbesondere für Folgendes zuständig sind:

      a) Übermittlung von Informationen über die Meldeverfahren an etwaige interessierte Personen;
      b) Entgegennahme von Meldungen und Ergreifung entsprechender Folgemaßnahmen;
      c) Aufrechterhaltung des Kontakts zum Hinweisgeber zwecks Erstattung von Rückmeldungen und erforderlichenfalls Anforderung weiterer Informationen.

      (5) Die in Absatz 4 genannten Mitarbeiter werden für die Bearbeitung von Meldungen speziell geschult.

      Artikel 13 Informationen über die Entgegennahme von Meldungen und die betreffenden Folgemaßnahmen
      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Behörden in einem gesonderten sowie leicht erkennbaren und zugänglichen Abschnitt ihrer Website mindestens folgende Informationen veröffentlichen:

      a) die Bedingungen für den Schutz nach Maßgabe dieser Richtlinie;
      b) die Kontaktdaten für die externen Meldekanäle gemäß Artikel 12, insbesondere die E-Mail-Adressen und Postanschriften sowie die Telefonnummern solcher Kanäle mit der Angabe, ob die Telefongespräche aufgezeichnet werden;
      c) die geltenden Verfahrensvorschriften für die Meldung von Verstößen, insbesondere die Art und Weise, in der die zuständige Behörde den Hinweisgeber auffordern kann, die gemeldeten Informationen zu präzisieren oder zusätzliche Informationen zu liefern, der Zeitrahmen für die Rückmeldung sowie Art und Inhalt dieser Rückmeldung;
      d) die geltende Vertraulichkeitsregelung für Meldungen und insbesondere die Informationen über die Verarbeitung personenbezogener Daten — je nach Anwendbarkeit — gemäß Artikel 17 dieser Richtlinie, Artikel 5 und 13 der Verordnung (EU) 2016/679, Artikel 13 der Richtlinie (EU) 2016/680 oder Artikel 15 der Verordnung (EU) 2018/1725;
      e) die Art der zu eingehenden Meldungen zu ergreifenden Folgemaßnahmen;
      f) die verfügbaren Abhilfemöglichkeiten und Verfahren für den Schutz vor Repressalien sowie Verfügbarkeit einer vertraulichen Beratung von Personen, die in Erwägung ziehen, eine Meldung zu erstatten;
      g) eine Erläuterung, aus der eindeutig hervorgeht, unter welchen Umständen Personen, die eine Meldung an die zuständige Behörde richten, nicht wegen Verletzung der Geheimhaltungspflicht gemäß Artikel 21 Absatz 2 haftbar gemacht werden können; und
      h) gegebenenfalls die Kontaktdaten des Informationszentrums oder der einzigen unabhängigen Verwaltungsbehörde gemäß Artikel 20 Absatz 3.

    1. Artikel 14 Überprüfung der Verfahren durch die zuständigen Behörden
      Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass die zuständigen Behörden ihre Verfahren für die Entgegennahme von Meldungen und die Folgemaßnahmen dazu regelmäßig und mindestens alle drei Jahre überprüfen. Bei dieser Überprüfung tragen die zuständigen Behörden den Erfahrungen Rechnung, die sie und andere zuständige Behörden gesammelt haben, und passen ihre Verfahren entsprechend an.

    2. KAPITEL IV
      OFFENLEGUNG

    3. Artikel 15 Offenlegung
      (1) Ein Hinweisgeber, der Informationen offenlegt, hat Anspruch auf Schutz im Rahmen dieser Richtlinie, wenn eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:

    4. a) Er hat zunächst intern und extern oder auf direktem Weg extern gemäß den Kapiteln II und III Meldung erstattet, aber zu seiner Meldung wurden innerhalb des Zeitrahmens gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe f oder Artikel 11 Absatz 2 Buchstabe d keine geeigneten Maßnahmen ergriffen; oder
      b) er hat hinreichenden Grund zu der Annahme, dass

    5. i) der Verstoß eine unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses darstellen kann, so z. B. in einer Notsituation oder bei Gefahr eines irreversiblen Schadens; oder
      ii) im Fall einer externen Meldung Repressalien zu befürchten sind oder aufgrund der besonderen Umstände des Falls geringe Aussichten bestehen, dass wirksam gegen den Verstoß vorgegangen wird, beispielsweise weil Beweismittel unterdrückt oder vernichtet werden könnten oder wenn zwischen einer Behörde und dem Urheber des Verstoßes Absprachen bestehen könnten oder die Behörde an dem Verstoß beteiligt sein könnte.

    (2) Dieser Artikel gilt nicht in Fällen, in denen eine Person auf der Grundlage spezifischer nationaler Bestimmungen, die ein Schutzsystem für die Freiheit der Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit bilden, Informationen unmittelbar gegenüber der Presse offenlegt.

    KAPITEL V
    VORSCHRIFTEN FÜR INTERNE UND EXTERNE MELDUNGEN

    Artikel 16 Vertraulichkeitsgebot
    (1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Identität des Hinweisgebers ohne dessen ausdrückliche Zustimmung keinen anderen Personen als gegenüber den befugten Mitarbeitern, die für die Entgegennahme von Meldungen oder für das Ergreifen von Folgemaßnahmen zu Meldungen zuständig sind, offengelegt wird. Dies gilt auch für alle anderen Informationen, aus denen die Identität des Hinweisgebers direkt oder indirekt abgeleitet werden kann.

    (2) Abweichend von Absatz 1 dürfen die Identität des Hinweisgebers sowie alle anderen in Absatz 1 genannten Informationen nur dann offengelegt werden, wenn dies nach Unionsrecht oder nationalem Recht eine notwendige und verhältnismäßige Pflicht im Rahmen der Untersuchungen durch nationale Behörden oder von Gerichtsverfahren darstellt, so auch im Hinblick auf die Wahrung der Verteidigungsrechte der betroffenen Person.

    (3) Offenlegungen gemäß der Ausnahmeregelung des Absatzes 2 unterliegen angemessenen Garantien nach den geltenden Unionsvorschriften sowie nationalen Vorschriften. Insbesondere wird der Hinweisgeber unterrichtet, bevor seine Identität offengelegt wird, es sei denn, diese Unterrichtung würde die entsprechenden Untersuchungen oder Gerichtsverfahren gefährden. Im Rahmen der Unterrichtung von Hinweisgebern übermittelt die zuständige Behörde ihnen eine schriftliche Darlegung der Gründe für die Offenlegung der betreffenden vertraulichen Daten.

    (4) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Behörden, denen Informationen über Verstöße zugehen, die Geschäftsgeheimnisse beinhalten, diese Geschäftsgeheimnisse nicht für Zwecke benutzen oder offenlegen, die über das für ordnungsgemäße Folgemaßnahmen erforderliche Maß hinausgehen.

    Artikel 17 Verarbeitung personenbezogener Daten
    Die nach dieser Richtlinie vorgenommene Verarbeitung personenbezogener Daten einschließlich des Austauschs oder der Übermittlung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden erfolgt im Einklang mit der Verordnung (EU) 2016/679 und der Richtlinie (EU) 2016/680. Der Austausch oder die Übermittlung von Informationen durch Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen der Union erfolgt im Einklang mit der Verordnung (EU) 2018/1725.
    Personenbezogene Daten, die für die Bearbeitung einer spezifischen Meldung offensichtlich nicht relevant sind, werden nicht erhoben bzw. unverzüglich wieder gelöscht, falls sie unbeabsichtigt erhoben wurden.

    Artikel 18 Dokumentation der Meldungen
    (1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass juristische Personen des privaten und öffentlichen Sektors und zuständige Behörden alle eingehenden Meldungen im Einklang mit den Vertraulichkeitspflichten gemäß Artikel 16 dokumentieren. Die Meldungen werden nicht länger aufbewahrt, als dies erforderlich und verhältnismäßig ist, um die von dieser Richtlinie auferlegten Anforderungen oder andere Anforderungen nach Unionsrecht oder nationalem Recht zu erfüllen.

    (2) Bei telefonisch oder mittels einer anderen Art der Sprachübermittlung erfolgten Meldungen, die aufgezeichnet werden, sind die juristischen Personen des privaten und öffentlichen Sektors und die zuständigen Behörden vorbehaltlich der Zustimmung des Hinweisgebers berechtigt, die mündliche Meldung auf eine der folgenden Weisen dokumentieren:

    a) durch Erstellung einer Tonaufzeichnung des Gesprächs in dauerhafter und abrufbarer Form, oder
    b) durch vollständige und genaue Niederschrift des Gesprächs durch die für die Bearbeitung der Meldungen verantwortlichen Mitarbeiter.
    Juristische Personen des privaten und öffentlichen Sektors und die zuständigen Behörden geben dem Hinweisgeber Gelegenheit, die Niederschrift zu überprüfen, gegebenenfalls zu korrigieren und durch seine Unterschrift zu bestätigen.

    (3) Bei telefonisch oder mittels einer anderen Art der Sprachübermittlung erfolgten Meldungen, die nicht aufgezeichnet werden, sind juristische Personen des privaten und des öffentlichen Sektors und die zuständigen Behörden berechtigt, die mündliche Meldung mittels eines genauen, von den für die Bearbeitung der Meldungen verantwortlichen Mitarbeitern erstellten Gesprächsprotokolls zu dokumentieren. Juristische Personen des privaten und des öffentlichen Sektors und die zuständigen Behörden geben dem Hinweisgeber Gelegenheit, das Gesprächsprotokoll zu überprüfen, gegebenenfalls zu korrigieren und durch seine Unterschrift zu bestätigen.

    (4) Bittet ein Hinweisgeber gemäß Artikel 9 Absatz 2 und Artikel 12 Absatz 2 um eine Zusammenkunft mit den Mitarbeitern der juristischen Personen des privaten und öffentlichen Sektors oder der zuständigen Behörden, um einen Verstoß zu melden, so sorgen die juristischen Personen des privaten und öffentlichen Sektors und die zuständigen Behörden vorbehaltlich der Zustimmung des Hinweisgebers dafür, dass vollständige und genaue Aufzeichnungen über die Zusammenkunft in dauerhafter und abrufbarer Form aufbewahrt werden. Juristische Personen des privaten und öffentlichen Sektors und die zuständigen Behörden sind berechtigt, die Zusammenkunft auf eine der folgenden Weisen zu dokumentieren:

    a) durch Erstellung einer Tonaufzeichnung des Gesprächs in dauerhafter und abrufbarer Form, oder
    b) durch ein von den für die Bearbeitung der Meldung verantwortlichen Mitarbeitern erstelltes genaues Protokoll der Zusammenkunft.

    Juristische Personen des privaten und öffentlichen Sektors und die zuständigen Behörden geben dem Hinweisgeber Gelegenheit, das Protokoll der Zusammenkunft zu überprüfen, gegebenenfalls zu korrigieren und durch seine Unterschrift zu bestätigen.

    KAPITEL VI
    SCHUTZMAẞNAHMEN

    Artikel 19 Verbot von Repressalien
    Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um jede Form von Repressalien gegen die in Artikel 4 genannten Personen, einschließlich der Androhung von Repressalien und des Versuchs von Repressalien, zu untersagen; dies schließt insbesondere folgende Repressalien ein:

    a) Suspendierung, Kündigung oder vergleichbare Maßnahmen;
    b) Herabstufung oder Versagung einer Beförderung;
    c) Aufgabenverlagerung, Änderung des Arbeitsortes, Gehaltsminderung, Änderung der Arbeitszeit;
    d) Versagung der Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen;
    e) negative Leistungsbeurteilung oder Ausstellung eines schlechten Arbeitszeugnisses;
    f) Disziplinarmaßnahme, Rüge oder sonstige Sanktion einschließlich finanzieller Sanktionen;
    g) Nötigung, Einschüchterung, Mobbing oder Ausgrenzung;
    h) Diskriminierung, benachteiligende oder ungleiche Behandlung;
    i) Nichtumwandlung eines befristeten Arbeitsvertrags in einen unbefristeten Arbeitsvertrag in Fällen, in denen der Arbeitnehmer zu Recht erwarten durfte, einen unbefristeten Arbeitsvertrag angeboten zu bekommen;
    j) Nichtverlängerung oder vorzeitige Beendigung eines befristeten Arbeitsvertrags;
    k) Schädigung (einschließlich Rufschädigung), insbesondere in den sozialen Medien, oder Herbeiführung finanzieller Verluste (einschließlich Auftrags- oder Einnahmeverluste);
    l) Erfassung des Hinweisgebers auf einer „schwarzen Liste“ auf Basis einer informellen oder formellen sektor- oder branchenspezifischen Vereinbarung mit der Folge, dass der Hinweisgeber sektor- oder branchenweit keine Beschäftigung mehr findet;
    m) vorzeitige Kündigung oder Aufhebung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen;
    n) Entzug einer Lizenz oder einer Genehmigung;
    o) psychiatrische oder ärztliche Überweisungen.

    Artikel 20 Unterstützende Maßnahmen
    (1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die in Artikel 4 genannten Personen gegebenenfalls Zugang zu unterstützende Maßnahmen haben, wozu insbesondere Folgendes gehört:

    a) umfassende und unabhängige Information und Beratung über die verfügbaren Abhilfemöglichkeiten und Verfahren gegen Repressalien und die Rechte der betroffenen Person, die der Öffentlichkeit einfach und kostenlos zugänglich sind;
    b) wirksame Unterstützung vonseiten der zuständigen Behörden beim Kontakt mit etwaigen am Schutz vor Repressalien beteiligten Behörden einschließlich — sofern nach nationalem Recht vorgesehen — einer Bescheinigung, dass die Voraussetzungen für einen Schutz gemäß dieser Richtlinie erfüllt sind; und
    c) Prozesskostenhilfe in Strafverfahren und in grenzüberschreitenden Zivilverfahren gemäß der Richtlinie (EU) 2016/1919 und der Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und gemäß dem nationalen Recht Prozesskostenhilfe in weiteren Verfahren sowie zu Rechtsberatung und anderer rechtlicher Hilfe.

    (2) Die Mitgliedstaaten können im Rahmen gerichtlicher Verfahren finanzielle Hilfen und unterstützende Maßnahmen, einschließlich psychologischer Betreuung, für Hinweisgeber bereitstellen.

    (3) Die unterstützenden Maßnahmen nach diesem Artikel können gegebenenfalls von einem Informationszentrum oder einer einzigen, eindeutig benannten unabhängigen Verwaltungsbehörde bereitgestellt werden.

    Artikel 21 Maßnahmen zum Schutz vor Repressalien
    (1) Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die in Artikel 4 genannten Personen vor Repressalien geschützt sind. Dies umfasst insbesondere die in den Absätzen 2 bis 8 des vorliegenden Artikels genannten Maßnahmen.

    (2) Unbeschadet des Artikels 3 Absätze 2 und 3 gelten Personen, die nach dieser Richtlinie Informationen über Verstöße melden oder offenlegen, nicht als Personen, die eine Offenlegungsbeschränkung verletzt haben, und sie können für eine solche Meldung oder Offenlegung in keiner Weise haftbar gemacht werden, sofern sie hinreichenden Grund zu der Annahme hatten, dass die Meldung oder Offenlegung der Information notwendig war, um einen Verstoß gemäß dieser Richtlinie aufzudecken.

    (3) Hinweisgeber können nicht für die Beschaffung der oder den Zugriff auf Informationen, die gemeldet oder offengelegt wurden, haftbar gemacht werden, sofern die Beschaffung oder der Zugriff nicht als solche bzw. solcher eine eigenständige Straftat dargestellt haben. Im Fall, dass die Beschaffung oder der Zugriff eine eigenständige Straftat darstellen, unterliegt die strafrechtliche Haftung weiterhin dem nationalen Recht.

    (4) Jede weitere mögliche Haftung des Hinweisgebers aufgrund von Handlungen oder Unterlassungen, die nicht mit der Meldung oder Offenlegung in Zusammenhang stehen oder für die Aufdeckung eines Verstoßes nach dieser Richtlinie nicht erforderlich sind, unterliegt weiterhin dem geltenden Unionsrecht oder nationalem Recht.

    (5) In Verfahren vor einem Gericht oder einer anderen Behörde, die sich auf eine vom Hinweisgeber erlittene Benachteiligung beziehen und in denen der Hinweisgeber geltend macht, diese Benachteiligung infolge seiner Meldung oder der Offenlegung erlitten zu haben, wird vermutet, dass die Benachteiligung eine Repressalie für die Meldung oder Offenlegung war. In diesen Fällen obliegt es der Person, die die benachteiligende Maßnahme ergriffen hat, zu beweisen, dass diese Maßnahme auf hinreichend gerechtfertigten Gründen basierte.

    (6) Die in Artikel 4 genannten Personen erhalten Zugang zu geeigneten Abhilfemaßnahmen gegen Repressalien einschließlich einstweiligen Rechtsschutzes während laufender Gerichtsverfahren nach Maßgabe des nationalen Rechts.

    (7) In Gerichtsverfahren, einschließlich privatrechtlicher, öffentlich-rechtlicher oder arbeitsrechtlicher Gerichtsverfahren wegen Verleumdung, Verletzung des Urheberrechts, Verletzung der Geheimhaltungspflicht, Verstoßes gegen Datenschutzvorschriften, Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen sowie Schadensersatzverfahren, können die in Artikel 4 genannten Personen aufgrund von Meldungen oder von Offenlegungen im Einklang mit dieser Richtlinie in keiner Weise haftbar gemacht werden. Diese Personen haben das Recht, unter Verweis auf die betreffende Meldung oder Offenlegung die Abweisung der Klage zu beantragen, sofern sie hinreichenden Grund zu der Annahme hatten, dass die Meldung oder Offenlegung notwendig war, um einen Verstoß gemäß dieser Richtlinie aufzudecken. Wenn eine Person Informationen über in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallende Verstöße meldet oder offenlegt, die Geschäftsgeheimnisse beinhalten, und wenn diese Person die Bedingungen dieser Richtlinie erfüllt, gilt diese Meldung oder Offenlegung als rechtmäßig im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie (EU) 2016/943.

    (8) Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Rechtsbehelfe und eine vollständige Wiedergutmachung des erlittenen Schadens für die in Artikel 4 genannten Personen entsprechend dem nationalem Recht vorgesehen sind.

    Artikel 22 Maßnahmen zum Schutz betroffener Personen
    (1) Die Mitgliedstaaten stellen gemäß der Charta sicher, dass betroffene Personen ihr Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und auf ein faires Gerichtsverfahren und die Wahrung der Unschuldsvermutung sowie ihre Verteidigungsrechte, einschließlich des Rechts auf Anhörung und des Rechts auf Einsicht in ihre Akte, in vollem Umfang ausüben können.

    (2) Die zuständigen Behörden stellen im Einklang mit dem nationalen Recht sicher, dass die Identität betroffener Personen während der Dauer einer durch die Meldung oder Offenlegung ausgelösten Untersuchung geschützt bleibt.

    (3) Die in den Artikeln 12, 17 und 18 festgelegten Regeln über den Schutz der Identität von Hinweisgebern gelten auch für den Schutz der Identität betroffener Personen.

    Artikel 23 Sanktionen
    (1) Die Mitgliedstaaten legen wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen für natürliche oder juristische Personen fest, die

    a) Meldungen behindern oder zu behindern versuchen;
    b) Repressalien gegen die in Artikel 4 genannten Personen ergreifen;
    c) mutwillige Gerichtsverfahren gegen die in Artikel 4 genannten Personen anstrengen;
    d) gegen die Pflicht gemäß Artikel 16 verstoßen, die Vertraulichkeit der Identität von Hinweisgebern zu wahren.

    (2) Die Mitgliedstaaten legen wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen für Hinweisgeber fest, denen nachgewiesen wird, dass sie wissentlich falsche Informationen gemeldet oder offengelegt haben. Die Mitgliedstaaten sehen auch Maßnahmen entsprechend dem nationalem Recht zur Wiedergutmachung von Schäden vor, die durch diese Meldungen oder Offenlegungen entstanden sind.

    Artikel 24 Keine Aufhebung von Rechten und Rechtsbehelfen
    Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die in dieser Richtlinie vorgesehenen Rechte und Rechtsbehelfe nicht aufgrund einer Beschäftigungsvereinbarung, -bestimmung, -art oder -bedingung, einschließlich einer Vorab-Schiedsvereinbarung, aufgehoben oder eingeschränkt werden können.

    KAPITEL VII
    SCHLUSSBESTIMMUNGEN

    Artikel 25 Günstigere Behandlung und Regressionsverbot
    (1) Die Mitgliedstaaten können unbeschadet der Artikel 22 und Artikel 23 Absatz 2 für die Rechte von Hinweisgebern günstigere Bestimmungen als die in dieser Richtlinie festgelegten Bestimmungen einführen oder beibehalten.

    (2) Die Umsetzung dieser Richtlinie darf unter keinen Umständen als Rechtfertigung dafür dienen, das von den Mitgliedstaaten bereits garantierte Schutzniveau in den von dieser Richtlinie erfassten Bereichen abzusenken.

    Artikel 26 Umsetzung und Übergangszeitraum
    (1) Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie bis zum 17. Dezember 2021 nachzukommen.

    (2) Abweichend von Absatz 1 setzen die Mitgliedstaaten hinsichtlich juristischer Personen mit 50 bis 249 Arbeitnehmern bis zum 17. Dezember 2023 die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um der Verpflichtung nach Artikel 8 Absatz 3, interne Meldekanäle einzurichten, nachzukommen.

    (3) Bei Erlass der Vorschriften gemäß den Absätzen 1 und 2 nehmen die Mitgliedstaaten in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten dieser Bezugnahme. Sie teilen der Kommission unverzüglich den Wortlaut dieser Vorschriften mit.

    Artikel 27 Berichterstattung, Bewertung und Überprüfung
    (1) Die Mitgliedstaaten stellen der Kommission alle relevanten Informationen über die Umsetzung und Anwendung dieser Richtlinie zur Verfügung. Auf der Grundlage der übermittelten Informationen legt die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat bis zum 17. Dezember 2023 einen Bericht über die Umsetzung und Anwendung dieser Richtlinie vor.

    (2) Unbeschadet der in anderen Rechtsakten der Union festgelegten Berichtspflichten legen die Mitgliedstaaten der Kommission jährlich die folgenden Statistiken — vorzugsweise in aggregierter Form — in Bezug auf die in Kapitel III genannten Meldungen vor, soweit sie auf zentraler Ebene in dem betreffenden Mitgliedstaat verfügbar sind:

    a) Zahl der bei den zuständigen Behörden eingegangenen Meldungen,
    b) Zahl der Untersuchungen und Gerichtsverfahren, die infolge dieser Meldungen eingeleitet wurden, sowie deren Ergebnisse, und
    c) sofern festgestellt, geschätzter finanzieller Schaden sowie im Anschluss an Untersuchungen und Gerichtsverfahren zu den gemeldeten Verstößen (wieder)eingezogene Beträge.

    (3) Die Kommission legt dem Europäischen Parlament und dem Rat bis zum 17. Dezember 2025 einen Bericht vor, in dem sie unter Berücksichtigung ihres gemäß Absatz 1 vorgelegten Berichts und der von den Mitgliedstaaten gemäß Absatz 2 übermittelten Statistiken die Auswirkungen der von den Mitgliedstaaten zur Umsetzung dieser Richtlinie erlassenen nationalen Rechtsvorschriften bewertet. Sie bewertet in dem Bericht, wie die Richtlinie funktioniert hat und prüft, ob zusätzliche Maßnahmen einschließlich etwaiger geeigneter Änderungen zur Ausweitung des Anwendungsbereichs dieser Richtlinie auf zusätzliche Unionsrechtsakte oder Bereiche erforderlich sind, insbesondere im Hinblick auf die Verbesserung der Arbeitsumwelt zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Arbeitnehmer und der Arbeitsbedingungen.
    Zusätzlich zur Bewertung gemäß Unterabsatz 1 wird in dem Bericht bewertet, auf welche Weise die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Verpflichtung, Folgemaßnahmen zu Meldungen von in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallenden Verstößen zu ergreifen, die bestehenden Kooperationsmechanismen genutzt haben und wie sie generell im Fall von Verstößen mit grenzüberschreitender Dimension zusammenarbeiten.

    (4) Die Kommission veröffentlicht die in den Absätzen 1 und 3 genannten Berichte und macht sie leicht zugänglich.

    Artikel 28 Inkrafttreten
    Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

    Artikel 29 Adressaten
    Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.