§ 32 Offenlegen von Informationen

(1) Personen, die Informationen über Verstöße offenlegen, fallen unter die Schutzmaßnahmen dieses Gesetzes, wenn sie

  1. zunächst gemäß Abschnitt 2 Unterabschnitt 4 eine externe Meldung erstattet haben und

a) hierauf innerhalb der Fristen für eine Rückmeldung nach § 28 Absatz 4 keine geeigneten Folgemaßnahmen nach § 29 ergriffen wurden oder

b) sie keine Rückmeldung über das Ergreifen solcher Folgemaßnahmen erhalten haben oder

  1. hinreichenden Grund zu der Annahme hatten, dass

a) der Verstoß wegen eines Notfalls, der Gefahr irreversibler Schäden oder vergleichbarer Umstände eine unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses darstellen kann,

b) im Fall einer externen Meldung Repressalien zu befürchten sind oder

c) Beweismittel unterdrückt oder vernichtet werden könnten, Absprachen zwischen der zuständigen externen Meldestelle und dem Urheber des Verstoßes bestehen könnten oder aufgrund sonstiger besonderer Umstände die Aussichten gering sind, dass die externe Meldestelle wirksame Folgemaßnahmen nach § 29 einleiten wird.

(2) Das Offenlegen unrichtiger Informationen über Verstöße ist verboten.

Gesetzesbgründung zu § 32 HinSchG

Die Vorschrift legt die Voraussetzungen fest, unter denen hinweisgebende Personen unter dem Schutz dieses Gesetzes stehen, wenn sie sich mit Informationen über Verstöße nicht an eine interne oder externe Meldestelle wenden, sondern diese der Öffentlichkeit bekanntmachen. Systematisch stehen die Meldungen an interne und externe Meldestellen gemeinsam auf einer unmittelbar offenstehenden ersten Stufe des neuen Hinweisgebersystems, während der Gang an die Öffentlichkeit nur unter engen Voraussetzungen als Ausnahme konzipiert ist. Es wird nicht danach differenziert, auf welchem Wege die Öffentlichkeit informiert wird. Denkbar sind aber beispielsweise neben Berichten in den Medien auch Informationen in sozialen Netzwerken.

Zu Absatz 1 Nr. 1
Die Vorschrift setzt Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe a der HinSch-RL um. Hinweisgebende Personen können sich an die Öffentlichkeit wenden, wenn sie nach der Meldung eines Verstoßes an eine externe Meldestelle innerhalb des vorgegebenen Zeitraums keine Rückmeldung oder nur eine solche über nicht angemessene Folgemaßnahmen erhalten haben. Die Angemessenheit der Folgemaßnahmen richtet sich nach objektiven Kriterien und ist abhängig von den fallspezifischen Umständen und von der Art der Vorschriften, gegen die verstoßen wurde. Auch eine Entscheidung, dass ein Verstoß eindeutig geringfügig war und mit Ausnahme des Abschlusses des Verfahrens keine weiteren Folgemaßnahmen erfordert, kann eine angemessene Rückmeldung darstellen.

Zu Absatz 1 Nr. 2
Eine nach Nummer 2 geschützte Offenlegung setzt voraus, dass die hinweisgebende Person hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass die in der Vorschrift genannten Voraussetzungen vorliegen. Diese Anforderungen gewährleisten einen hinreichenden Schutz für Rechte und Interessen derjenigen, die von der Offenlegung betroffen sind und denen die Gefahr irreparabler Schäden droht. Damit wird gesichert, dass böswillige oder missbräuchliche Offenlegungen nicht geschützt werden.
Die hinweisgebende Person wird jedoch geschützt, wenn sie in gutem Glauben ungenaue Informationen über Verstöße offengelegt hat. Maßgeblich ist damit, wie dies auch in Erwägungsgrund 32 der HinSch-RL ausgeführt wird, eine Ex-ante-Sicht, bei der sich die Einschätzung der hinweisgebenden Person auf tatsächliche Anhaltspunkte stützt. Dabei bestehen mit Blick auf die möglichen Folgen für die von einer Offenlegung betroffenen Unternehmen und natürlichen Personen hohe Anforderungen an das Vorliegen des guten Glaubens in Bezug auf die Voraussetzungen der Nummer 2 Buchstaben a bis c.
Wenn gravierende und irreparable Schäden wahrscheinlich sind, kann es im Einzelfall zumutbar sein, dass sich die hinweisgebende Person vorab qualifizierten Rat einholt. Im Übrigen wird auf die Ausführungen in der Begründung zu § 33 Absatz 1 Nummer 2 verwiesen.

Zu Absatz 1 Nr. 2 lit. a
Von Buchstabe a erfasst sind Situationen, die eine unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses darstellen können. Hierzu zählen beispielsweise Notsituationen oder die Gefahr eines irreversiblen, nicht unerheblichen Schadens. Erwägungsgrund 80 der HinSch-RL verweist als Beispiel auf die Gefahr einer irreversiblen Schädigung der körperlichen Unversehrtheit einer Person. Die Regelung dient der Umsetzung von Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i der HinSch-RL.

Zu Absatz 1 Nr. 2 lit. b und c
Hinweisgebende Personen können sich auch dann unmittelbar an die Öffentlichkeit wenden, wenn sie hinreichenden Grund zu der Annahme haben, dass im Fall einer externen Meldung Repressalien zu fürchten sind oder dass im Fall einer externen Meldung die Aussichten gering sind, dass wirksam gegen den Verstoß vorgegangen wird. Die Regelungen sollen vor allem solche Fälle erfassen, in denen Beweismittel zum Beispiel durch den Beschäftigungsgeber oder Dritte unterdrückt oder vernichtet werden könnten, in denen zwischen einer externen Meldestelle und der Urheberin oder dem Urheber des Verstoßes Absprachen getroffen worden sein könnten oder in denen die externe Meldestelle an dem Verstoß beteiligt sein könnte.
Erfasst sein können darüber hinaus unter Buchstabe c auch nach den Umständen des Einzelfalles solche Fälle, in denen Verstößen nur unzureichend nachgegangen wurde oder in denen zwar innerhalb der vorgegebenen Fristen geeignete Abhilfemaßnahmen getroffen worden waren, diese aber anschließend nicht oder lediglich unzureichend weiterverfolgt wurden.
Die Regelungen stellen sicher, dass, sollten Umstände eintreten, die die Unabhängigkeit und Funktionsfähigkeit der externen Meldestelle beeinträchtigen, der hinweisgebenden Person ein funktionstüchtiger Meldeweg offensteht. Unter diesen Umständen kann dies nur der Gang an die Öffentlichkeit sein. Die Vorschrift setzt Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii der HinSch-RL um.

Zu Absatz 2
Die Verbotsnorm dient dem Schutz der von einer Offenlegung betroffenen Unternehmen, Behörden und Personen vor Reputationsschäden. Denn die Offenlegung unrichtiger Informationen über Verstöße kann zu falschen Verdächtigungen in der Öffentlichkeit führen, die erhebliche Schäden für die betroffenen Personen bedeuten können. Erfolgt ein Verstoß gegen diese Vorschrift, kann dieser gemäß § 40 Absatz 1 geahndet werden.