(1) Beinhaltet eine interne oder eine externe Meldung oder eine Offenlegung ein Geschäftsgeheimnis im Sinne des § 2 Nummer 1 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen, so ist die Weitergabe des Geschäftsgeheimnisses an eine zuständige Meldestelle oder dessen Offenlegung erlaubt, sofern
- die hinweisgebende Person hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass die Weitergabe oder die Offenlegung des Inhalts dieser Informationen notwendig ist, um einen Verstoß aufzudecken, und
- die Voraussetzungen des § 33 Absatz 1 Nummer 2 und 3 erfüllt sind.
(2) Vorbehaltlich der Vorgaben des § 5 dürfen Informationen, die einer vertraglichen Verschwiegenheitspflicht, einer Rechtsvorschrift des Bundes, eines Landes oder einem unmittelbar geltenden Rechtsakt der Europäischen Union über die Geheimhaltung oder über Verschwiegenheitspflichten, dem Steuergeheimnis nach § 30 der Abgabenordnung oder dem Sozialgeheimnis nach § 35 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch unterliegen, an eine zuständige Meldestelle weitergegeben oder unter den Voraussetzungen des § 32 offen gelegt werden, sofern
- die hinweisgebende Person hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass die Weitergabe oder die Offenlegung des Inhalts dieser Informationen notwendig ist, um einen Verstoß aufzudecken, und
- die Voraussetzungen des § 33 Absatz 1 Nummer 2 und 3 erfüllt sind.
(3) Personen, die im Rahmen ihrer Tätigkeit für eine Meldestelle Informationen erlangen, die einer vertraglichen Verschwiegenheitspflicht, einer Rechtsvorschrift des Bundes über die Geheimhaltung oder über Verschwiegenheitspflichten, dem Steuergeheimnis nach § 30 der Abgabenordnung oder dem Sozialgeheimnis nach § 35 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch unterliegen, haben ab dem Zeitpunkt des Eingangs der Informationen
- diese Verschwiegenheits- oder Geheimhaltungsvorschriften vorbehaltlich des Absatzes 4 anzuwenden und
- die schutzwürdigen Belange Betroffener in gleicher Weise zu beachten wie sie die hinweisgebende Person zu beachten hat, die die Informationen der Meldestelle mitgeteilt hat.
(4) Meldestellen dürfen Geheimnisse im Sinne der Absätze 1 und 2 nur insoweit verwenden oder weitergeben, wie dies für das Ergreifen von Folgemaßnahmen erforderlich ist.
(5) In Bezug auf Informationen, die einer vertraglichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen, gelten die Absätze 3 und 4 ab dem Zeitpunkt, zu dem Kenntnis von der Verschwiegenheitspflicht besteht.
Gesetzesbegründung zu § 6 HinSchG
Zu Absatz 1
Die Vorschrift regelt das Verhältnis dieses Gesetzes zum GeschGehG. Sie setzt Artikel 21 Absatz 7 Unterabsatz 2 der HinSch-RL um. Personen, die Geschäftsgeheimnisse in einem beruflichen Kontext erlangt haben, genießen nur dann den Schutz dieses Gesetzes, wenn sie die Voraussetzungen dieses Gesetzes erfüllen und die Weitergabe des Geschäftsgeheimnisses erforderlich war, um einen Verstoß im sachlichen Anwendungsbereich dieses Gesetzes aufzudecken. Eine Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen ist damit erlaubt nach § 3 Absatz 2 GeschGehG. Auf das Motiv der hinweisgebenden Person beziehungsweise des Geschäftsgeheimnisverräters kommt es dabei nicht an.
Im Hinblick auf die Erforderlichkeit der Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen kommt es nicht allein darauf an, ob die Weitergabe überhaupt notwendig ist, sondern auch darauf, in welchem Umfang sie notwendig ist. Die hinweisgebende Person hat damit darauf zu achten, dass nur solche Geheimnisse weitergegeben werden, deren Inhalt für die Aufdeckung des Verstoßes erforderlich ist.
Die Anforderungen an die Offenlegung nach dem GeschGehG sollen durch diese Bestimmung nicht abgesenkt werden. Vielmehr bleibt § 5 Nummer 2 GeschGehG neben der Neuregelung bestehen: Sein Anwendungsbereich ist einerseits weiter, weil er auch die Offenlegung an alle und unabhängig von den in diesem Gesetz vorgesehenen Meldekanälen umfasst, aber anderseits insofern enger, als er nur eine Erlangung, Nutzung oder Offenlegung vom Verbot der Weitergabe ausnimmt, die geeignet ist das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen.
Zu Absatz 2
Mit Absatz 2 wird festgelegt, dass die Meldung oder Offenlegung von Informationen, die vertraglichen Verschwiegenheits- oder Geheimhaltungspflichten unterliegen, durch hinweisgebende Personen nach den gemäß diesem Gesetz vorgesehenen Bestimmungen nicht als unzulässig oder unbefugt gilt. Dies folgt im Umkehrschluss aus den Ausnahmen von diesem Grundsatz, die Artikel 3 Absatz 3 der HinSch-RL in Verbindung mit den Erwägungsgründen 26 und 27 statuiert, und ist damit zwingend für eine Umsetzung der HinSch-RL.
Anders als für die in § 5 ausdrücklich normierten Ausnahmen gilt damit die Weitergabe von Informationen, die unter sonstige berufliche Verschwiegenheitspflichten fallen, als zulässig. Die Befugnis zur Weitergabe der Informationen wird durch diesen Absatz als allgemeine, abstrakte Regelung festgelegt.
Dabei gelten aber für den Umfang der Weitergabe von Informationen, die Verschwiegenheits- oder Geheimhaltungspflichten unterliegen, die gleichen Maßstäbe wie für den Umfang der Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen nach Absatz 1: Im Hinblick auf die Erforderlichkeit der Weitergabe von Informationen nach diesem Absatz kommt es nicht allein darauf an, ob die Weitergabe überhaupt notwendig ist, sondern auch darauf, in welchem Umfang die Weitergabe notwendig ist. Die hinweisgebende Person hat darauf zu achten, dass nur solche Geheimnisse weitergegeben werden, deren Inhalt für die Aufdeckung des Verstoßes erforderlich ist.
Vertragliche Verschwiegenheitspflichten sind beispielsweise bei Rechtsdienstleistern nach § 10 des Rechtsdienstleistungsgesetzes üblich, die in der Regel ihren Mandantinnen und Mandanten Verschwiegenheit zusichern.
Die von der Vorschrift umfassten gesetzlichen Geheimhaltungs- und Verschwiegenheitspflichten sind abgesehen von den in den in § 5 enthaltenen Ausnahmen umfassend zu verstehen. Zu den hierunter fallenden Verschwiegenheitspflichten zählen unter anderem, aber nicht ausschließlich die jeweils originären und die von ihnen abgeleiteten Pflichten von Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten (§ 57 Absatz 1, §§ 62, 62a, 64 Absatz 2, § 74 Absatz 2 des Steuerberatergesetzes – StBerG), Lohnsteuerhilfevereinen (§ 26 Absatz 1 StBG), Wirtschaftsprüfern (§§ 43, 50, 50a, 55, 56 der Wirtschaftsprüferordnung – WPO), Beamtinnen und Beamten (§ 67 BBG) und von Soldatinnen und Soldaten (§ 14 des Soldatengesetzes) sowie gesetzliche Verschwiegenheitspflichten von Vorständen von Berufskammern (vergleiche §§ 76, 184 BRAO, § 83 StBerG, § 69a der Bundesnotarordnung, § 71 der Patentanwaltsordnung, §§ 64, 66b WPO).
Erfasst sind beispielsweise aber auch die Vorschriften zur Vertraulichkeit im Vergabeverfahren wie § 5 der Vergabeverordnung, § 5 der Sektorenverordnung und § 4 der Konzessionsvergabeverordnung.
Eine Auflistung der der Geheimhaltung unterliegenden Vorschriften wäre wegen der großen Zahl und der häufigen Gesetzesänderungen nicht zweckmäßig. Dementsprechend wird grundsätzlich ein allgemeiner Bezug zu den Verschwiegenheits- und Geheimhaltungsvorschriften des Bundes gewählt, wie dies bereits in § 6 Absatz 1 Satz 1 des Bundesarchivgesetzes (BArchG) für die Anbietung und Abgabe von Unterlagen, die einer Geheimhaltungs, Vernichtungs- oder Löschungspflicht unterliegen, gehandhabt wurde.
Als Ausnahme ist § 30 Absatz 2 AO ausdrücklich zu nennen, da die durch § 30 AO verbürgte Geheimhaltung steuerlicher Angaben und Verhältnisse, deren Weitergabe einen Bezug auf den Steuerpflichtigen oder Dritte erkennbar werden lässt, durch eine Reihe grundrechtlicher Verbürgungen geboten ist, insbesondere durch Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 und Artikel 14 GG, gegebenenfalls auch in Verbindung mit Artikel 19 Absatz 3 GG. Der durch das Steuergeheimnis verbürgte Schutz darf nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden. Eine Weitergabe entsprechender Unterlagen an andere Behörden und die damit verbundene Durchbrechung
des Steuergeheimnisses ist daher – sofern nicht einer der in § 30 Absatz 4 Nummer 1 und 3 bis 5 sowie Absatz 5 AO genannten Rechtfertigungsgründe vorliegt – nur möglich, wenn sie im überwiegenden öffentlichen Interesse erfolgt und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch Gesetz ausdrücklich zugelassen ist. Zwar enthält § 30 Absatz 4 Nummer 2 AO kein Zitiergebot. Die Offenbarungsbefugnis muss sich der betreffenden Norm jedoch eindeutig und zweifelsfrei entnehmen lassen; eine nur durch Auslegung dem Gesetz entnommene Offenbarungsbefugnis genügt nicht. Dieser Absatz entspricht diesen Vorgaben. So ist insbesondere ausdrücklich geregelt, dass Informationen nur nach Maßgabe der in § 33 HinSchG geregelten Voraussetzungen offengelegt werden dürfen.
Dies betrifft auch die zunächst vorgesehene vorherige externe Meldung (§ 33 Absatz 1 Nummer 1 HinSchG). Zudem dürfen die dem Steuergeheimnis unterliegenden Daten nicht weitergegeben werden, wenn die Voraussetzungen für den Schutz hinweisgebender Personen (§ 34 Absatz 1 Nummer 2 und 3 HinSchG) nicht erfüllt sind.
Ebenfalls ausdrücklich zu nennen ist das Sozialgeheimnis nach § 35 des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch. Es ist ein dem Steuergeheimnis vergleichbares besonderes Schutzregime im Bereich des Sozialrechts für die beispielsweise durch die Träger der Renten-, Unfall-, Kranken- und Pflegeversicherung und die Bundesagentur für Arbeit erhobenen Daten (Sozialdaten).
Zu Absatz 3 und 4
Die Vorschriften dienen der Umsetzung von Artikel 16 Absatz 4 der HinSch-RL. Informationen, die Geschäftsgeheimnisse beinhalten, dürfen nur im erforderlichen Maß beim Ergreifen von Folgemaßnahmen durch interne und externe Meldestellen verwendet werden. Es ist sachgerecht, diese Einschränkung der Nutzung von Geschäftsgeheimnissen, die die HinSch-RL verbindlich vorgibt, auf die Nutzung sonstiger Geheimnisse auszudehnen. Die Regelung normiert damit eine eigenständige Geheimhaltungspflicht für Personen, die für eine interne oder externe Meldestelle tätig sind. Sie folgt den Verschwiegenheits- oder Geheimhaltungspflichten, die im Grundsatz für die hinweisgebende Person gelten und für die die Absätze 1 und 2 Ausnahmen normieren. Der Umfang der Geheimhaltungspflicht richtet sich daher nach dem Umfang der jeweils zugrundeliegenden Verschwiegenheits- oder Geheimhaltungspflicht. Insofern wird auf die Systematik in § 6 Absatz 3 BArchG zurückgegriffen, der den Umgang des Bundesarchivs mit Geheimhaltungspflichten unterliegenden Unterlagen regelt.
Ein Verstoß gegen die Vorgaben in Absatz 3 wäre für Amtsträger regelmäßig strafbewehrt nach § 203 Absatz 2 Nummer 1 oder § 353b Absatz 1 Nummer 1 StGB.
Zu Absatz 5
Informationen, die vertraglich vereinbarten Verschwiegenheitspflichten unterliegen, sollen von Meldestellen nach Möglichkeit ebenso geschützt werden wie Informationen, deren Geheimhaltung aus gesetzlichen Vorgaben folgt. Allerdings ist dieser Grundsatz insoweit einzuschränken, als die zuständigen Personen Kenntnis von der Verschwiegenheitsvereinbarung haben müssen.